#NACHGEFRAGT: Heidrun Kopp

In dieser Serie interviewen wir Expert*innen in Sachen Nachhaltigkeit bei der Geldanlage. Wir reden über ihren persönlichen Zugang zur Nachhaltigkeit, allgemeinen Fragen zu Veranlagung und aktuellen Nachhaltigkeitsthemen.

Anlässlich des heutigen Weltfrauentags am 8. März möchten wir vor allem Frauen vor den Vorhang holen, wenn es um Nachhaltigkeit bei der Geldanlage geht.

Dr. Heidrun Kopp studierte in Wien, London und an der renommierten Harvard Business School. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Finanz- und Bankensektor mit Schwerpunkt Integration von ESG & Sustainable Finance ins Kerngeschäft. Kopp ist gefragte Vortragende und erfolgreiche Gastgeberin ihres eigenen Podcast-Formats „Green Money Talks by Heidrun Kopp“. Sie ist Gründerin und Leiterin des Instituts für nachhaltiges Finanzwesen (Inafina) und beschäftigt sich intensiv mit einer Start-up Idee für eine Plattform für nachhaltige Finanzprodukte "birds of trust". Seit 2021 ist sie zusätzlich verantwortlich für die Weiterbildungsprogramme zu ESG & Sustainable Finance an der FHWien der WKW.

Frage 1: Warum der Fokus auf nachhaltige Geldanlagen?

Nachdem wir in Österreich momentan noch eher ein Land der Bausparer*innen (ich habe übrigens auch einen) sind, ist es aus meiner Sicht zunächst generell wichtig, Geld anzulegen und dabei auf eine entsprechende Diversifizierung zu achten. Nachhaltige Geldanlagen, also Fonds & ETFs, die nach ökologisch-sozialen Kriterien ausgerichtet sind, hatten lange den Ruf, dass man sich zwischen „gut und profitabel“ entscheiden muss.

Eine Vielzahl von Studien zeigt mittlerweile, dass man mit der eigenen Geldanlage einen aktiven Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz und/oder sozialen Belangen leisten kann, und trotzdem nicht auf die Rendite verzichten muss. Schon allein die Frage nach nachhaltigen Geldanlagen (sollte man dafür eine Bank zu Rate ziehen), gibt dem Anbieter einen klaren Auftrag, was ich als Anleger*in möchte. Nachfrage schafft Angebot.

Dabei ist mir klar, dass die Wende von konventionellen zu grünen Anlageangeboten nicht einfach ist, und auch viel Know-how bei allen Beteiligten bedarf. Die Lernkurve ist bei allen momentan hoch, und das akzeptiere ich – bewusstes Greenwashing akzeptiere ich allerdings nicht. Insbesondere deshalb, weil damit auch der Ruf derer in Mitleidenschaft gezogen wird, die sich bemühen, einen aktiven Impact zu erreichen.

Frage 2: Wie hat sich Ihre berufliche Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit auf Ihr Privatleben ausgewirkt?

Ich beschäftige mich beruflich seit über 10 Jahren mit Nachhaltigkeit im wirtschaftlichen Kontext, insbesondere in der Finanzwirtschaft. Dabei war immer klar, dass man die großen Veränderungen in erster Linie mit der „Ressource“ Geld und was damit konsumiert oder investiert wird, erreichen kann.

Privat ist mir wichtig, dass ich eine Balance finde, zwischen meinen Prioritäten und dem was ich damit an C02, Wasser, etc. verbrauche. Corona hat es zumindest geschafft, dass Gewohnheiten unterbrochen wurden, und neu überdacht werden können. Was ich auch beobachte ist, dass Nachhaltigkeit in allen Facetten in meinem privaten Umfeld intensiver und mit immer mehr Know-how diskutiert wird. Plötzlich wird über „Hybride“ und „Plug-in-Hybride“ diskutiert und über welche Anbieter das Auto an der E-Zapfsäule geladen werden kann.

Meine momentane Lektüre ist „Wie schlimm sind Bananen. Der C02-Abdruck von allem“ (Mike Berners-Lee), und lerne gerade, dass das Schreiben einer E-Mail von 0,03g C02e bis 26g C02e verbrauchen kann. Auch wenn ich mich nicht auf die konkreten Werte verlassen würde, überlege ich jetzt immer öfter, wie viele Menschen ich bei E-Mails in Kopie setze.

#Nachgefragt Heidrun Kopp

Frage 3: Welche Nachhaltigkeitsthemen sind Ihnen persönlich am wichtigsten?

Mich beschäftigt zurzeit das Thema Wasser besonders intensiv. In Österreich sind wir diesbezüglich sehr verwöhnt: wo kann man schon direkt aus der Wasserleitung trinken? Dennoch bedeuten zunehmende Perioden großer Hitze und weniger Niederschläge, dass es immer öfter die „Empfehlung“ gibt, den Wasserverbrauch zu drosseln. Das mag einerseits die Gärtner*innen verärgern, hat aber auch direkte Auswirkungen auf die Stromproduktion, die ja verstärkt aus ökologischen Quellen kommen soll. Aus Investor*innen-Sicht schaue ich daher auch sehr genau, welche Position Unternehmen hinsichtlich Wasser einnehmen: Wieviel Wasser benötigen sie in der Produktion ihrer Produkte; werden Wasserquellen gekauft, um dann „bottled water“ teuer an die Bevölkerung zurück zu verkaufen?

Weiters ist mir Diversity wichtig: Wie gehen Unternehmen mit älteren Mitarbeiter*innen um, in einer Welt, die nur jung, gesund und hip sein möchte. Ich bin überzeugt, dass es einen Mehrwert für jedes Unternehmen darstellt, wenn mehrere Generationen mit den jeweiligen Stärken miteinander arbeiten. Und nicht nur deshalb, weil man damit der demographischen Entwicklung und den Herausforderungen Mitarbeiter*innen zu finden, Paroli bieten kann.

Frage 4: Was sollten junge Anleger*innen beim Start ins (nachhaltige) Investieren berücksichtigen?

Anleger*innen, die sich das erste Mal an eine (nachhaltige) Investition heranwagen, sind gut beraten, zunächst mit einer Finanzübersicht zu starten: Welche Kosten habe ich monatlich, wieviel kann davon gespart bzw. investiert werden. Auch für den Notgroschen, gibt es bereits eine nachhaltige Alternative in Form eines nachhaltigen Sparkontos. Auf dieses Konto kann, wenn nötig (die Waschmaschine gibt den Geist auf etc.) zugegriffen werden.

Eine Veranlagung zeichnet sich dadurch aus, dass dies Geldbeträge sind, die über viele Jahre angespart werden (=> schlag nach bei „Zinseszins“). Der Betrag soll so gestaltet sein, dass es das Haushaltsbudget zulässt, diesen über die geplante Zeitdauer wegzulegen. Tipp: Dauerauftrag gleich zu Beginn des Monats. Die Zeitdauer hängt davon ab, welches Ziel damit verfolgt wird: Pension, Sabbatical, Wohnungskauf, etc.

Die nächste Entscheidung ist es, ob man sich von einer Bank beraten lässt, oder einen Online-Broker wählt. Der Unterschied sind einerseits die Spesen, andererseits muss man/frau sich zumindest zu Beginn intensiv damit beschäftigen, nach welchen Kriterien (z.B. grün und/oder sozial) die Fonds & ETFs zusammengesetzt sind. Zahlreiche Online-Trainings geben einen guten Überblick, und ein Vorteil ist auch, dass man damit das eigenen Finanzwissen generell verbessert. Und schließlich: Am Ende des Tages sind wir für unsere (finanziellen) Entscheidungen immer selbst verantwortlich.

Frage 5: Welche Vorteile hat das nachhaltige Investieren im Vergleich zu konventionellen Finanzprodukten?

Wem Klima- und Umweltschutz und generell ein korrekter, fairer Umgang miteinander wichtig ist, hat mehrere Möglichkeiten dies aktiv zu beeinflussen. Einerseits durch einen überlegten Konsum, und Ja, natürlich ist das eine wichtige Stellschraube. Einen wesentlichen größeren Impact erreicht man/frau aber in der Regel durch eine nachhaltige Geldanlage. Damit kann man mit dem eigenen Fonds & ETFs als Teil einer größeren Community andere Beträge und Projekte mobilisieren.

Wiederum halte ich es dabei für wichtig, damit auch ein klares Signal an die jeweiligen Anbieter zu geben, was man/frau von ihnen erwartet. Nachfrage schafft Angebot. Nur damit schaffen wir eine Transformation durch Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft. Das Ergebnis ist dabei eine „doppelte Rendite“ : ein Plus für Klima- und Umweltschutz und auf dem eigenen Anlagekonto.

Frage 6: Was sind die wichtigsten Faktoren, die beim nachhaltigen Investieren bedacht werden sollten?

Bei jeder Geldanlage ist es wichtig, die Auswahl der Fonds & ETFs gut zu mischen, also für eine Diversifikation zu sorgen. Umgangssprachlich sagt man hier „nicht alle Eier in einen Korb geben“. Bei nachhaltigen Geldanlagen ist es zudem wichtig, auf die Seriosität des Angebots zu achten: ist die Zusammensetzung des Fonds so grün und/oder sozial, wie ich es möchte. Stichwort: Greenwashing! Aber Achtung: nachhaltige Geldanlagen bestehen nicht nur aus Zotter & Sonnentor.

Die EU Taxonomie setzt klar auf die Transformation der Wirtschaft, d.h. kein Unternehmen und keine Branche ist grundsätzlich ausgeschlossen. Erwartet wird vielmehr, dass sich alle Unternehmen aktiv um eine Verkleinerung des Fußabdrucks, den sie verursachen, kümmern – und auch das sind Projekte, die finanziert werden müssen/sollen. Wer das nicht möchte, muss genau auf Ausschlusskriterien bzw. Positivkriterien achten. In jedem Fall #yourmoneymatters.

Frage 7: Was denken Sie über die EU-Taxonomie und was bedeutet sie für Privatinvestor*innen?

2016 hat sich die internationale Staatengemeinschaft darauf verständigt, die Erderwärmung auf max. 1,5 Grad einzudämmen. Um dies zu erreichen, wurde u.a. die EU Taxonomie definiert. Dabei handelt es sich um ein einheitliches, standardisiertes Klassifizierungssystem, was unter nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten verstanden wird. Dies ist die Voraussetzung, dass auch der Impact der Maßnahmen gemessen werden kann. Durch die EU Taxonomie werden demnach Projekte definiert, die grün sind, und durch die Investition von Privatanleger*innen finanziert werden sollen. Dies soll Anleger*innen die Sicherheit geben durch ihre nachhaltige Geldanlage aktiv u.a. zu einer Reduktion von C02 Emissionen beizutragen. Und generell gilt natürlich: Transparenz schützt vor Greenwashing.

Frage 8: Was schätzen Sie an den CLEANVEST Fondsbewertungen?

Cleanvest ist eine innovative Plattform, bei der man auf einfache Art und Weise viel Informationen dazu bekommt, welche Facetten Nachhaltigkeit bei Fonds haben kann. Und vor allem gibt sie viele Anregungen, welche Prioritäten man/frau setzen kann. Ich versuche eine gute Mischung zwischen „E“ und „S“ zu bekommen; mein persönlicher Favorit ist dabei die No 10 „Gleichstellung von Frauen“.

Interview mit Dr. Heidrun Kopp von Inafina