Geld investieren, Kinderarbeit vermeiden


Blogbeitrag anlässlich des Internationalen Tag der Kinderrechte am 20.11.2020


Laut Jugend Einer Welt müssen 73 Millionen Kinder weltweit in besonders gefährlichen Bereichen arbeiten. Eine erschreckende Zahl!
Was kann dagegen getan werden? Nicht nur tägliche Konsumentscheidungen, wie den Kauf von Produkten aus fairem Handel, kann eine Welt frei von Kinderarbeit fördern, auch durch deine Investmententscheidung kannst du einen Beitrag leisten.

Das Kriterium „Frei von Kinderarbeit“ auf CLEANVEST

Leider ist es aktuell noch immer so, dass 70% der auf CLEANVEST verfügbaren Fonds Kinderarbeit beinhaltet, das entspricht einem Volumen von 427 Milliarden Euro (Stand: 11.11.2020).

Bei dem Kriterium „Frei von Kinderarbeit“ auf CLEANVEST werden Informationen aus Berichten von Medien und NGOs über Unternehmen berücksichtigt, bei denen in den vergangenen 12 Monate ein Verdacht oder ein tatsächlicher Vorfall von Kinderarbeit (laut ILO) in der Zuliefererkette besteht. Die ILO versteht unter Kinderarbeit alle Arbeiten, die das Kind psychisch, physisch und moralisch gefährden und/oder die Schulbildung des Kindes negativ beeinflusst.

Die meisten Vorfälle von Kinderarbeit findet man derzeit in der Kobalt-Lieferkette, auf Plantagen (wie z.B. Palmöl-, Kaffee & Kakao-, Haselnuss-, Tabakplantagen), in der Bekleidungsindustrie und in der Internet- & Filmindustrie. Diese Analyse basiert auf den gesammelten Hintergrunddaten für das CLEANVEST-Kriterium "Frei von Kinderarbeit".

Kinderarbeiter in Indien, Bangalor @SDB - Bread-min.jpg

© SDB / Bread

Jugend Eine Welt & CLEANVEST: Fragen an den Experten

Unser Themenpartner Jugend Eine Welt und wir haben ein gemeinsames Ziel: Transparenz zu schaffen, um Kinder vor Ausbeutung zu schützen!
Anlässlich des Internationalen Tag der Kinderrechte am 20.11.2020 haben wir Jugend-Eine-Welt-Geschäftsführer Reinhard Heiserer gefragt: Was Jugend Eine Welt eigentlich genau macht, was die Probleme bei der Identifizierung von Kinderarbeit ist und warum Jugend Eine Welt mit CLEANVEST zusammenarbeitet.

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Reinhard Heiserer, Jugend-Eine-Welt-Geschäftsführer
©Jugend Eine Welt

Wofür setzt sich Jugend Eine Welt ein und was unternimmt die Organisation gegen Kinderarbeit?

Reinhard Heiserer: Bildung überwindet Armut! Das ist das zentrale Motto der international tätigen österreichischen Hilfsorganisation Jugend Eine Welt. Seit 1997 setzen wir uns ganz im Sinne des Jugendpatrons Don Bosco weltweit für bessere Lebensperspektiven von gefährdeten, diskriminierten und ausgebeuteten Kindern und Jugendlichen ein. Wir unterstützen Hilfsprojekte, Schulen, Bildungszentren sowie Straßenkinder-Programme in Afrika, Asien, Lateinamerika, dem Nahen Osten sowie in Osteuropa. Jugend Eine Welt arbeitet hier vor allem mit zwei wichtigen ProjektpartnerInnen zusammen, den Salesianern Don Boscos und den Don Bosco Schwestern. Diese sind in vielen Länder unmittelbar vor Ort und wissen über die Situation von arbeitenden Kindern in ihrem Umfeld sehr genau Bescheid. Diese Kinder erhalten entsprechende Hilfe, nach Möglichkeit ebenso ihre Familien. Unsere ProjektpartnerInnen versuchen zum Beispiel KinderarbeiterInnen wieder zurück in die Schule zu bringen oder bieten ihnen sonstige Ausbildungsmöglichkeit an.

Ab wann spricht man von Kinderarbeit?

Reinhard Heiserer: Nicht jede Situation, in der ein Kind etwas arbeitet, ist gleich zu verurteilen. Verdienen sich Kinder mit einfachen, kleinen Tätigkeiten ein kleines Taschengeld dazu, helfen sie ihren Eltern im Haushalt oder erledigen sie etwa im Familienunternehmen ab und zu kleinere Dienste, erlernen dabei vielleicht auch noch gewisse Fertigkeiten, spricht nichts dagegen. Wir wenden uns besonders gegen die missbräuchliche und ausbeuterische Kinderarbeit. Diese beginnt dann, wenn Kinder täglich für Arbeiten herangezogen werden, denen sie neben dem Schulbesuch nachgehen müssen oder wegen derer sie überhaupt nicht mehr zum Unterricht kommen können. Beeinträchtigt die Arbeit gar die körperliche und seelische Gesundheit der Kinder, weil sie etwa schwere Lasten zu schleppen haben, dann haben wir die Grenze zur schädlichen, ja ausbeuterischen Kinderarbeit längst überschritten.

Wie kann zwischen familiären Hilfstätigkeiten in z.B. der Landwirtschaft und tatsächlicher schädlicher Kinderarbeit unterschieden werden?

Reinhard Heiserer: Das lässt sich leider nicht immer genau festlegen und mitunter ist der Übergang oft fließend. Wie schon erwähnt, ab und zu Tiere hüten oder einmal bei der Ernte mithelfen, hat selbst für noch recht kleine Kinder sicher keine negativen Auswirkungen. Werden solche Tätigkeiten zur täglichen Pflichtübung, umfasst das zeitliche Ausmaß der Arbeit regelmäßig mehrere Stunden und wird ein Schulbesuch verhindert, dann wird es gefährlich. Gerade in der Landwirtschaft, im Familienverbund, arbeiten heute noch die meisten Kinder weltweit, oft genug völlig unbezahlt. Wenn die Kindheit gegen ein reguläres Arbeitsleben eingetauscht wird, wenn Kinder in einer Kakaoplantage schwere Säcke tragen müssen oder in Minen und Steinbrüchen Steine klopfen, dann hat das mit familiärer Hilfstätigkeit absolut nichts mehr zu tun.

Welche Probleme gibt es bei der Identifizierung von Kinderarbeit in unserem Wirtschaftssystem (z.B. betreffend der Lieferkette)?

Reinhard Heiserer: Kinderarbeit hat viele Gesichter. Oft tritt sie lokal gut versteckt auf und ist nicht auf den ersten Blick erkennbar. Weil sie etwa einfach ausgelagert wurde. Eine Beispiel dazu aus der Modeindustrie: Eine Fabrik in Asien produziert für eine global agierende Modekette. In der Fabrik wird man selbst bei einer Kontrolle keine arbeitenden Kinder vorfinden. Denn bestimmte Produktionsschritte wurden an Zulieferer ausgelagert, zum Beispiel an Heimarbeiter, die zumeist Frauen sind. Damit diese die geforderten hohen Stückzahlen schaffen, um überhaupt einen nennenswerten Verdienst zu erzielen, müssen die Kinder der Familie mithelfen. Und das weit über ein noch vertretbares, kindgerechtes Maß hinaus. Ähnliches passiert auch in der Landwirtschaft, bei Kakao- und Kaffeeproduzenten mit ihren langen Ketten an Zulieferern.

Warum arbeitet Jugend Eine Welt mit CLEANVEST zusammen?

Reinhard Heiserer: Im Kampf gegen Kinderarbeit geht es auch darum, das Bewusstsein der Öffentlichkeit für diese Problematik zu schärfen – hier bei uns in Österreich, in Europa, in der westlichen Welt. Konsumenten müssen wissen, welche Menschenrechtsverletzungen bei der Herstellung der von ihnen verwendeten Produkte passieren (können). Was bei aus fairem Handel stammenden Produkten schon einigermaßen funktioniert, fehlt bisher aber in der Finanzbranche: Eine Art Gütesiegel, das mir ausweist, dass mein Investment-Fonds bzw. die darin gebündelten Aktien börsennotierter Unternehmen frei von Kinderarbeit sind. Die Fonds-Nachhaltigkeits-Vergleichsplattform CLEANVEST gibt mir nun die Möglichkeit, im eigenen Fonds Kinderarbeit bewusst und aktiv auszuschließen. Unternehmen, die Kinder für sich arbeiten lassen - egal wo auf der Welt - dürfen ganz einfach nicht vom Geld der AnlegerInnen profitieren, genau so wenig wie durch den Kauf ihrer Produkte. Das ist der Hauptgrund, warum Jugend Eine Welt Partner von CLEANVEST zum Thema Kinderarbeit geworden ist. Nach ethischen Werten agierende AnlegerInnen sind ein wichtiger Baustein für nationale und internationale Maßnahmen zur Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit. Um diesem Anliegen Nachdruck zu verleihen, hat die UNO das Jahr 2021 zum „Internationalen Jahr für die Beseitigung der Kinderarbeit“ ausgerufen.
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